matrixmann: (Standing one's ground)
matrixmann ([personal profile] matrixmann) wrote 2020-10-03 01:10 pm (UTC)

Was die Export-Sache angeht: Ich nehme es so wahr, dass daran von Anfang an ideologisch schon falsch 'ran gegangen wurde.

Deswegen habe ich meine Magenschmerzen damit, wenn heutige politische Aktivisten - gerade auch unter den westlich Linken (westlich allgemein, also auch USA usw.) - so an die Sache heran gehen wie als wenn man sich als Land als eine einsame Insel zurückziehen kann und dort sein eigenes Ding machen kann, völlig losgelöst vom Rest der Welt
Das ist völliger Unsinn, nicht realisierbar.
Die Einzigen, die das eventuell könnten, wären Russland, China und vielleicht noch die USA, weil ausreichende Mengen vom Hauptrohstoff "Öl" im eigenen Besitz haben.
Alle anderen müssen von außen zukaufen. Allein deswegen funktioniert das nicht.

Ideologisch ist man damals beim Sozialismus, bei den Parolen für den kleinen Mann jedenfalls, ähnlich 'rangegangen: So tun als ob man den Rest der Welt nicht braucht und sich nicht mit kapitalistischen Staaten doch notgedrungen hinstellen muss, weil die eventuell wichtige Handelsgüter liefern können, die man selbst nicht hat, die aber das eigene Volk will oder die man für die eigene Industrie braucht.
So globalisiert war die Welt schon damals, dass das nicht ging - oder man musste eben mit einigen Jahrzehnten technischen Rückstand leben.
Nun gut - hinten herum sah es ja hier anders aus, eher kamen die Knüppel zwischen die Beine aus Richtung Westen, dass man sich seine Güter überteuer bezahlen lassen wollte. Deswegen kam z. B. die hauseigene Computerbranche erst gen Ende der 80er in Gang - weil man vieles selbst entwickeln musste und auf keine Lizenzgenehmigungen aus dem Westen als Start zurückgreifen konnte (ein bisschen soll wohl Japan wenigstens in der Beziehung mit denen hier zusammengearbeitet haben).


...Das war aber gar nicht mal der Anlass von dem Beitrag hier, sondern etwas anderes, worauf ich, finde ich, kürzlich aufmerksam gemacht wurde, was mein Verstand vorher gar nicht so betrachtet hätte.

Wenn du aus dem Osten bist und diese Wendezeit in irgendeiner Form miterlebt hast (selbst wenn sogar nur als Kind), hast du allgemein ein ganz anderes Verhältnis zu Armut und zu Joblosigkeit als es in Westdeutschland der Fall ist.
Nach der Wende waren so ziemlich alle ihren alten Job los, Arbeitslosigkeit war normal. Es war kein reines "Wer keine Arbeit hat, ist selbst schuld!"-Ding wie das unter kapitalistischen Voraussetzungen gern gepredigt wird. Da wurden von heute auf morgen komplexe Strukturen zerschlagen und deswegen standen die Menschen plötzlich auf der Straße.

In dem Zusammenhang war es auch keine soziale Schande arm zu sein, denn viele andere waren das zum selben Zeitpunkt auch wegen der plötzlichen Arbeitslosigkeit.

In Westdeutschland, vernehme ich zumindest durch meine Gesprächspartner, auf die ich treffe, dass da diese beiden Themen noch wesentlich tabubehafteter waren/sind. Das ist erst eine allmählich wachsende Sache, dass Leute dort breitflächiger damit umgehen lernen und merken, es ist nicht das Ende der Welt. Und es hat auch nicht nur mit persönlicher Schwäche zu tun.

Mir ist das jedenfalls in dem Moment mal so richtig aufgefallen, dass das so eine kollektive Erfahrung ist, zu der ich kein emotional geprägtes Verhältnis habe (also auch nicht das Gefühl von Schande oder dergleichen), andere wiederum schon, und ich frage mich da jedes Mal "Worum geht es hier?", wenn andere über solche Gefühle im Zusammenhang damit sprechen.
Der Grund dafür liegt darin, dass "ich" die 90er - und auch die Folgejahrzehnte - im Osten in einer der (immer noch) ärmsten Gegenden der BRD mitgemacht habe. Armut und keine Erwerbstätigkeit haben ist für mich quasi wie etwas "normales". Eine Möglichkeit, die das Leben auch annehmen kann.

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