matrixmann: (Default)
matrixmann ([personal profile] matrixmann) wrote2014-07-03 10:26 am
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Decay

In the 90s, it seems like people then reached the maximum of personal freedom and social tolerance.

[identity profile] lautenist.livejournal.com 2014-07-16 10:49 am (UTC)(link)
Nun tja - ich bin ja Kind dieser Zeit. Und ich fand sie damals ... ambivalent: Auf der einen Seite gab's den Dicken (Kohl) und seine "geistig-moralische Wende". Die Alten damals waren derart konservativ, wie man es sich heutzutage wohl kaum noch vorstellen kann. Das war das Klientel, auf das sich der Erfolg vom Dicken aufgebaut hat - zusammen mit den Yuppies, die schon im Anzug auf die Welt gekommen waren (so die Kochs und Wissmanns, falls Dir die Namen etwas sagen).
Andererseits gab es eine sehr rege alternative Szene, in der Freiheit gelebt wurde. Es gab keine Denkverbote und man konnte über alles diskutieren. Das war toll!
Auch wenn einige Elemente wie zum Beispiel die sexuelle Freiheit, die damals diskutiert wurde, heute als Pädo verschrieen wird. Damals war das kein Thema - das es Kinderschänder gab, war uns auch damals schon klar und dass das alles andere als in Ordnung ist ebenso. Aber die Grundstimmung in diesem Milieu war "so viel Freiheit als möglich".
Homosexualität war damals kein Thema - der Paragraph stand nur noch auf dem Papier. Ich schätze, ein Homo hat es heute schwerer, gesellschaftlich akzeptiert zu werden als damals. Wobei in diesem Bereich vieles zusammen kommt: Die Amerikanisierung unserer Gesellschaft, die neue Prüderie, eine Rückkehr in ein Sittenbild der 50er Jahre, die teilweise arg offensive Selbstdarstellung vieler Homos ...

Was übrigens auch toll war ist, dass sich Konservative und eher Progressive gegenseitig leben liessen. An abwertende Sprüche, wie sie heute gang und gäbe sind (von beiden Seiten) kann ich mich nicht erinnern. Ich muss allerdings auch sagen, dass die konservativen Positionen dieser Zeit nicht so grenzdebil waren wie heutzutage. Kohl wäre nie in den Krieg gezogen zum Beispiel. Womit Fischer/Schröder wenig später kaum mehr Probleme hatten und was Kanonen-Uschi heute gradezu offensiv fordert.

Wie gesagt: Diese Grundstimmung ("so viel Freiheit als möglich") hat für eine recht angenehme Atmosphäre gesorgt und eine gesellschaftliche Spaltung, wie es sie heute gibt, war damals undenkbar. Wir alle haben positiv nach vorne geschaut und waren eher gespannt, wie sich das alles entwickelt - ob es vielleicht auch Fehlentwicklungen geben würde? Daran, dass es einen Rückschritt, eine Rückkehr in ein veraltetes Gesellschaftsbild geben würde, hätte damals niemand geglaubt.